Mein Lieblingsartikel 2023 Rhauderfehner Rathaus – „Jugendliche können sich nicht in Luft auflösen“

| | 29.12.2023 17:31 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
Schilder weisen seit kurzem darauf hin, dass außer den Seniorentreff-Besuchern niemand etwas auf dem Grundstück zu suchen hat. Foto: Janßen
Schilder weisen seit kurzem darauf hin, dass außer den Seniorentreff-Besuchern niemand etwas auf dem Grundstück zu suchen hat. Foto: Janßen
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In Rhauderfehn hatte es am Rathaus und beim Seniorentreff zum Schluss Ärger gegeben. Das sagen die Jugendlichen, die Senioren und die Jugendpfleger der Gemeinde.

Der Bericht über die Jugendlichen, die am Rathaus und beim Seniorentreff nicht erwünscht sind, haben in der Gemeinde Rhauderfehn eine Debatte losgetreten. Eine Lösung steht noch aus, aber viele Menschen wurden für das Thema sensibilisiert. Dieser Artikel erschien erstmals am 3. August 2023.

Rhauderfehn - Die Situation ist verfahren. Schon seit letztem Jahr trafen sich Jugendliche und junge Erwachsene regelmäßig nachmittags und abends beim Rhauderfehner Rathaus. Auf der Rückseite des Gebäudes gibt es einen überdachten Bereich. Gleich nebenan geht es in den Garten des Seniorentreffs. Auch dort ließen sich die jungen Menschen gerne nieder. Das führte zu Konflikten. Nach zwei Polizeieinsätzen in der vergangenen Woche ließ Rhauderfehns Bürgermeister Geert Müller den Seniorengarten absperren und am Rathaus Schilder aufhängen, die das Trinken und Rauchen dort untersagen. Ziel: Durch vermehrte Kontrollen soll der Standort für die Jugendlichen unattraktiv gemacht werden. Müller hofft, dass sich die Sache nunmehr entspannt, denn: „Die große Gruppe, die hier zusammengekommen ist, hat sich ein bisschen verteilt auf mehrere Orte.“ So gingen ein paar Jugendliche jetzt auch an den Hahnentanger See.

„Das verlagert aber nur das Problem“, moniert ein älterer Fehntjer, der Kontakt zu den Jugendlichen pflegt und ein Auge darauf hatte, dass sie die Plätze beim Rathaus möglichst sauber hinterlassen. „Die jungen Leute können sich ja nicht in Luft auflösen. Jetzt gehen sie halt woanders hin“, sagt er. Einer der neuen Treffpunkte sei der Pavillon im Naherholungsbereich Oll Wiek. „Da ist doch der nächste Ärger schon vorhersehbar“, meint der Fehntjer. Und: „Dort sind die Jugendlichen weit ab von allem. Und die, die ihnen ,Gras‘ – also Marihuana – und anderes verkaufen, können das noch ungestörter tun. Der Platz am Rathaus war besser, um wenigstens ein bisschen Einfluss nehmen zu können.“

Wird dort Marihuana verkauft?

Er hätte sich gewünscht, dass die Polizei bei ihren Kontrollen gezielter vorgegangen wäre – gegen die, „die an die Jugendlichen Drogen verkaufen. Aber die sind, wenn die Polizei über die Südwieke mit ihren Wagen vorfährt, ja schon weg. Kontrolliert werden dann die anderen, die nichts gemacht haben. Wenn man da mal inkognito ein bisschen genauer hinschaut, kann man schnell rausfinden, wer die Drahtzieher sind“. Dass an den Plätzen konsumiert wird, sei schon allein an den leeren Gras-Tütchen zu sehen. Auch Achim Schneider, Vorsitzender des Seniorenbeirats, spricht von Drogengeschäften: „Man kann das hier vom Treff aus beobachten: Da fährt das Auto mit Auswärts-Kennzeichen vor, der Kofferraum wird aufgemacht, junge Leute gehen hin, ältere Erwachsene geben Sachen raus.“ Aufmerksam gemacht habe er die Polizei darauf, aber beweisen könne er eben nichts. Das sei aber ja auch nicht seine Aufgabe. Gegenüber der Redaktion haben auch einige Jugendlichen selbst erzählt, dass im Rathaus-Umfeld „Gras“ geraucht werde und zu bekommen sei.

Von der Polizei in Leer heißt es zur Drogenthematik auf Anfrage: „Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass es dort auch zum Konsum von Betäubungsmitteln kommen kann, aber zur Zeit liegen diesbezüglich keine Strafanzeigen vor. Wenn von Passanten ein solcher Umstand konkret wahrgenommen wird, empfehlen wir eine umgehende Information an die Polizei.“

Zahl der Jugendlichen wurden zu hoch

Den Ball ins Rollen gebracht hatte der Seniorenbeirat der Gemeinde Rhauderfehn. Die Senioren hatten kürzlich im Rathaus auf die Situation bei dem von ihnen sanierten Gebäude an der 1. Südwieke aufmerksam gemacht. Schon länger hätten Jugendliche den Außenbereich des Treffs mit Bänken und Tisch für sich entdeckt. Schwierig sei die Lage geworden, als sich die Zahl der jungen Menschen massiv erhöhte. „Am Anfang ging das. Da waren nur ein paar Jugendliche hier, die auch ganz ordentlich waren“, betonen Angela Block und Achim Schneider vom Vorstand des Seniorenbeirates. Dann aber seien immer mehr Jugendliche im Bereich des Seniorentreffs aufgelaufen. „Manchmal bis zu 40 oder 50.“ Es seien Dinge kaputt gemacht worden, Fahrräder hätten kreuz und quer auf dem Grundstück gestanden, und es seien viele Zigarettenkippen und anderer Unrat auf dem Boden hinterlassen worden. „Das kann man doch nicht dauerhaft hinnehmen“, findet Griet Luikenga-Gerdes, 2. Vorsitzende des Beirats.

Angela Block und Achim Schneider vom Seniorenbeirat an der Tür des Seniorentreffpunkt. Auf dem Gelände hatten sich zum Schluss regelmäßig Dutzende von Jugendlichen getroffen. Foto: Janßen
Angela Block und Achim Schneider vom Seniorenbeirat an der Tür des Seniorentreffpunkt. Auf dem Gelände hatten sich zum Schluss regelmäßig Dutzende von Jugendlichen getroffen. Foto: Janßen

„Man sieht, was sonst verborgen ist“

Die Problematik sahen auch die drei Jugendpfleger der Gemeinde Nico Bergmann, Timo Zeleck und Ann-Kristin Gras: „Für so viele Personen ist der Standort zu klein“, betonten sie im Gespräch mit der Redaktion. Dazu komme, dass das Rathausumfeld viele verschiedene Gruppen angelockt habe. „Da gibt es ein großes Spannungsverhältnis.“ Was den Jugendarbeitern wichtig ist: „Es hat auch gute Phasen gegeben, das vergisst man leicht. Die Jugendlichen haben sich viel Mühe gegeben und die Senioren auch. Das Problem ist die schiere Menge an jungen Leuten, die sich dort zum Schluss getroffen hat. Da muss man einsehen, dass es egal ist, wieviel Mühe man sich gibt: Das geht einfach nicht.“

Was das Rauchen und Trinken angehe, sei das keineswegs ein neues Phänomen. „Hier am Rathaus hat man, weil es ein öffentlicher Platz ist, einfach nur gut gesehen, was sonst im Verborgenen passiert“, sagt Nico Bergmann.

„Härtere Kaliber“ unter den Jugendlichen

Nach zwei Schlägereien in der vergangenen Woche zog Bürgermeister Geert Müller nun die Konsequenzen und sperrte den Seniorengarten ab. Zusammen mit den Verbots-Schildern beim Rathaus hat das dazu geführt, dass sich die jungen Leute andere Plätze gesucht haben. Dabei war das ursprüngliche Ziel des Verwaltungschefs nicht, alle Jugendliche zu vertreiben, sondern nur „härtere Kaliber“ loszuwerden: Personen, die gerne Ärger machen und wenig zimperlich sind. Dass es davon ein paar unter den jungen Leuten gibt, sagen auch die Jugendlichen selbst: „In letzter Zeit sind ein paar Gruppen dazugekommen, die nachts hier trinken und Müll hinterlassen. Und die sich auch sonst nicht so im Griff haben“, erzählte einer der jungen Erwachsenen bei einem Treffen mit der Redaktion. „Das finden wir selber auch Mist.“ Die meisten der jungen Leute benähmen sich aber: „Wir achten auch darauf, dass keine Flaschen zerschlagen werden – schon allein, weil da ja sonst auch Hunde und die Fahrräder durch die Scherben müssten.“

Ihren Platz am Rathaus hätten die jungen Leute gerne behalten. „Es ist zentral, und man kann bei Edeka auch mal auf die Toilette gehen“, sagt ein Mädchen. Und: „Wir sind schon an so vielen Plätzen immer weggeschickt worden. Irgendwo wollen wir auch einfach sitzen können.“

Ein Appell für mehr Toleranz

Die Senioren betonen, dass sie nicht gegen die Jugendlichen seien. „Wir verstehen, dass sie auch einen schönen Platz haben möchten, wo sie sich treffen können. Wir finden, den sollte die Gemeinde schaffen“, betont Angela Block. Doch dem Ansinnen erteilt Bürgermeister Müller eine Ansage: „So einen Platz, an dem die Jugendlichen ja auch am Rande der Legalität agieren, können wir nicht einrichten. Wenn wir ein Angebot machen, müssen wir darauf achten, dass der Jugendschutz eingehalten wird. Diese jungen Menschen wollen sich aber ausprobieren“, sagt er.

Müller appelliert zugleich für mehr Toleranz gegenüber Jugendlichen im öffentlichen Raum. „Wenn Jugendliche einfach irgendwo rumsitzen möchten, auch zu mehreren, dann haben sie grundsätzlich das Recht dazu. So wie jeder Bürger. Die Aufenthaltsplätze sind für alle geschaffen.“

Die Jugendpfleger sind außerdem immer mal wieder im Kontakt mit den Jugendlichen, um Lösungen zu finden. „Auch die Leute vom Jugend- und Kulturzentrum in Langholt haben schon Einladungen ausgesprochen, etwa zum Pizzabacken im JUKZ“, erzählen sie. „Es soll einen Shuttle-Service geben“, so Nico Bergmann. „Das JUKZ ist selbstverwaltet und hat eine tolle Anlage. Vielleicht ist das für den ein oder anderen auch eine Alternative.“

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