Serie „Beziehungskiste“ Ehe am Ende – wem gehört was nach der Scheidung
Ernst und Hilde aus dem Landkreis Leer machen sich Sorgen um ihre Tochter: Wurde ihr nach der Scheidung zu wenig zugestanden? Unser Rechtsanwalt klärt im neuen Teil der Beziehungskiste auf.
Leer - Leser fragen, Experten antworten: in unserer Serie Beziehungskiste. Ernst und Hilde (Namen von der Redaktion geändert) aus dem Landkreis Leer haben eine Frage an Rechtsanwalt Kai-Timo Hanses aus unserem Expertenteam:
Wir machen uns große Sorgen in Bezug auf einen Scheidungsvorgang unserer Tochter. Leider ist sie momentan psychisch nicht in der Lage, selbst aktiv zu werden. Sie hat uns beauftragt, auf diesem Wege mit Ihnen in Kontakt zu treten. Unsere Tochter (47) lebte seit über 20 Jahren mit ihrem Partner zusammen, davon seit 2014 verheiratet. Im Jahr 2021 wurde die Scheidung eingereicht. Im Laufe der Ehe wurde ein Wohnhaus gekauft und es gab weitere Anschaffungen. Gleich nach der Trennung verkaufte ihr Mann bereits Wertgegenstände, wie einen PKW, ohne unserer Tochter einen Anteil am Verkaufspreis zu geben. Auch die Wertsteigerung des Hauses wurde unserer Meinung nach nicht berücksichtigt. Wie werden Anschaffungen, die innerhalb der Ehe getätigt werden, bei einem Scheidungsfall auseinandergerechnet? Gehören Anschaffungen innerhalb der Ehe grundsätzlich beiden Ehepartnern? Hätte ihr Mann sie am Verkaufspreis des PKWs beteiligen müssen?
Rechtsanwalt Kai-Timo Hanses beantwortet die einzelnen Fragen:
Gehören Anschaffungen innerhalb der Ehe grundsätzlich beiden Ehepartnern?
Wie immer als Jurist muss man konstatieren: Kommt darauf an! In der rechtlichen „basis“ Regelung – ohne spezielle Vereinbarung durch einen Ehevertrag – sieht es mit den Anschaffungen wie folgt aus: Was ein Partner mit in die Ehe gebracht hat, gehört ihm weiterhin allein. Das gilt auch für alle Anschaffungen, die während der Ehe allein vorgenommen wurden. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) mit der sogenannten Zugewinngemeinschaft.
Eine Alternative wäre die Gütergemeinschaft, die Eheleute in einem Ehevertrag vereinbaren können. Dabei wird alles, was während der Ehe erworben und während der Ehe erwirtschaftet wird, zum gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten. Das macht die Aufteilung im Fall einer Scheidung kompliziert, denn dann wird der Wert all dieser Güter gleichmäßig auf beide verteilt.
Daneben steht sogenannter Hausrat, also die Gegenstände, die zumeist gemeinschaftlich oder vor dem Hintergrund der gemeinsamen Verwendung erworben werden und die der gemeinsamen Lebensführung dienen. Aller Hausrat, den die Ehegatten während der Ehe gemeinsam anschaffen, gehört ihnen auch gemeinsam.
Beziehungskiste
So sehr wir uns auch wünschen, dass es in Beziehungen immer harmonisch läuft: In der Realität kriselt es eben doch immer mal wieder im Zusammenleben mit anderen Menschen. Hier wollen unsere Experten in der Serie Beziehungskiste helfen. Habt Ihr Fragen oder Konflikte, für die Ihr einen Rat sucht? Oder benötigt ihr einen Rat für einen Freund oder eine Verwandte? Die gestellte Frage besprechen wir dann mit einem der Experten und veröffentlichen Frage und Antwort (wenn gewünscht auch anonymisiert) jeden Mittwoch in unserer Zeitung und auf unseren Webseiten. Alle Zuschriften werden selbstverständlich sensibel behandelt. Schreibt uns gerne an beziehungskiste@zgo.de oder stellt Eure Frage ganz einfach hier:
Wie werden Anschaffungen, die innerhalb der Ehe getätigt werden, bei einem Scheidungsfall auseinandergerechnet?
Im Falle der Zugewinngemeinschaft erfolgt dies durch einen Vermögensausgleich. Hierbei wird zu den Stichtagen Heirat, Trennung und Rechtshängigkeit der Scheidung – der Tag an dem der/die Antragsgegner/in den Scheidungsantrag durch das Gericht zugestellt bekommt – alle Vermögensgegenstände und Belastungen ermittelt, sogenannte Aktiva und Passiva. Hierbei wird das Anfangsvermögen von beiden mit deren Endvermögen verglichen. Vereinfacht gesagt wird der kleinere Zugewinn des einen vom größeren Zugewinn des anderen abgezogen. Das Ergebnis wird halbiert.
Beim Hausrat gibt es die Möglichkeiten, dass einzelne Haushaltsgegenstände der Ehegatten untereinander übertragen oder überlassen werden. Dies kann der eine Ehegatte von dem anderen auch verlangen, jedoch sieht das Gesetz hier weitere Prüfungsschritte vor, nämlich insbesondere, ob es im Wohle der im Haushalt lebenden Kinder oder unter dem Maßstab der Angewiesenheit des anderen Ehepartners angemessen ist. Klassisch ist hierbei die Waschmaschine, welche zu allermeist bei dem Ehepartner verbleibt, der die Kinder betreut. Schlussendlich kann der andere Ehegatte einen angemessenen Ausgleich fordern.
Hätte ihr Mann sie am Verkaufspreis des PKWs beteiligen müssen?
Auch hier sind die Umstände der Verwendung, der Lebensverhältnisse und der Anschaffung entscheidend. Handelt es sich um das klassische gemeinsam angeschaffte Familienfahrzeug, welches zum Hin- und Herfahren der Kinder, für gemeinsame Urlaube und täglich Besorgungen genutzt wird, so fällt der PKW unter den Begriff des Hausrates und folgt den vorgenannten Ausgleichsmechanismen. Handelt es sich um einen alleinig angeschafften PKW, welcher vorwiegend für nur eine Person genutzt wird, so findet der Ausgleich in der Vermögensauseinandersetzung des Zugewinns statt.
Kai-Timo Hanses aus Leer ist Anwalt und hat sich auf Strafrecht, Familienrecht und Verkehrsrecht spezialisiert. Seine Stärken sieht er in der Kommunikation, in Verhandlungen und Diskussionen.