Mein Lieblingsartikel 2023 „Tante Gabi“ – die Frau, die Borkum großgezogen hat

Rieke Heinig
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Von Rieke Heinig
| 28.12.2023 14:32 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Gabriele Armbrecht war bei den meisten wohl besser als „Tante Gabi“ bekannt. Foto: Heinig
Gabriele Armbrecht war bei den meisten wohl besser als „Tante Gabi“ bekannt. Foto: Heinig
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Sie war jahrzehntelang Leiterin des alten Borkumer Kindergartens und hat vielen Menschen beim Aufwachsen zugesehen. Im Juni wollte sich Gabriele Armbrecht – besser bekannt als „Tante Gabi“ – bedanken.

Obwohl „Tante Gabi“ und ich uns vor unserem Gespräch für diesen Artikel nicht kannten, war sie absolut herzlich. Ohne Hemmung und mit viel ehrlichem Gefühl erzählte sie mir von ihrem Lebensweg. Zwei Monate später starb sie. Ich bin dankbar, dass ich sie vorher noch kennenlernen durfte und werde sie – wie so viele Menschen auf der Insel – im Gedächtnis behalten. Der Artikel ist erstmals am 3. Juni 2023 erschienen.

Borkum - „Ich bin leider nicht mehr ganz so gut zu Fuß unterwegs“, sagt Gabriele Armbrecht und rückt den Rollator, der vor ihr am Sofa steht, zurecht. Geht sie dennoch mal durch die Straßen Borkums, wird sie von vielen Insulanerinnen und Insulanern erkannt und freudig begrüßt. Das liegt nicht nur daran, dass Armbrecht selbst meistens ein Lächeln auf den Lippen trägt. Als Erzieherin hat die 80-Jährige jahrzehntelang den alten Borkumer Kindergarten geleitet und stand ihren Schützlingen stets mit Rat und Tat zur Seite. Deshalb wird sie von denen, die sie noch aus dieser Zeit kennen, liebevoll „Tante Gabi“ genannt. „Das war damals so üblich für Erzieher. Da wurde niemand beim Nachnamen genannt. Und bei mir hat sich das bis heute nicht geändert“, erzählt die 80-Jährige.

Unter ihren Schützlingen waren einige bekannte Gesichter. Zum Beispiel der Borkumer Bürgermeister, Jürgen Akkermann (parteilos). „Ja, ich erinnere mich. Auch er nennt mich immer noch Tante Gabi. So hat er mich sogar seiner Frau vorgestellt. Er war ein lieber Junge und wurde meistens von seinem Vater zum Kindergarten gebracht“, lässt die ehemalige Erzieherin die Erinnerungen noch einmal aufleben. Gerne denke sie an diese Zeit zurück.

Erzieherin war Traumberuf

Aufgewachsen ist die Seniorin in Stralsund (Mecklenburg Vorpommern). Das Leben an der Küste kannte sie also von klein auf. Bevor es für sie nach Borkum ging, zog es Armbrecht allerdings zunächst gen Süden – nach Darmstadt in Hessen. „Da habe ich meine Erzieher-Ausbildung gemacht“, sagt sie. Die Sehnsucht nach dem Meer blieb allerdings bestehen. Als auf Borkum eine Stelle am alten Kindergarten frei wurde, zog sie schließlich mit Anfang 20 auf die Insel.

„Damit habe ich mir einen Herzenswunsch erfüllt. Ich wollte immer gerne mit Kindern arbeiten“, erzählt die 80-Jährige. Sie habe es genossen, den Kindern zu helfen, sie zu trösten, wenn sie einmal von der Schaukel gefallen waren oder ihnen mit einem Ausflug an den Strand eine Freude zu machen. „Das haben wir sehr oft gemacht, es war wirklich schön. Kinder geben einem unglaublich viel zurück“, sagt Armbrecht und lächelt dabei. Den Beruf als Erzieherin habe sie erst aufgegeben, als sie ihre Tochter adoptiert hatte. „Inzwischen habe ich sogar drei Enkelkinder“, erzählt sie strahlend.

„Tante Gabi“ möchte sich bedanken

Dass die Kinder von damals, die heute erwachsen sind, ebenfalls gute Erinnerungen an „Tante Gabi“ haben, erlebe die 80-Jährige immer wieder. „Ich denke und hoffe, ich konnte ihnen viel beibringen. Das jedenfalls haben mir schon einige gesagt und sich bedankt“, so Armbrecht. Bis heute hat sie ihre fürsorgliche Art behalten. Wenn sie nicht gerade liest oder Handarbeit macht, ist sie ehrenamtlich in der Kirche unterwegs. Dort hilft sie älteren Menschen, leistet ihnen Gesellschaft und unterstützt bei den wöchentlichen Tee- und Kaffee-Treffen. „Es gibt ja nun mal viele, die noch älter sind als ich. In dem Alter kann es einsam werden und man braucht Menschen zum Reden“, so die 80-Jährige. Jetzt möchte aber sie einmal danke sagen – und holt einen Zettel hervor, auf dem sie sich Notizen gemacht hat.

Denn vor gut einer Woche wurde die Seniorin in das Borkumer Inselkrankenhaus eingeliefert. Dort musste sie mehrere Nächte bleiben, liest Armbrecht von dem kleinen Zettel in ihrer Hand vor, während sie auf ihrem blauen Sofa sitzt. „Ich wurde so nett aufgenommen vom Pflegepersonal. Dazu gehörten alle: von den Leuten, die alles putzten bis zu den Krankenschwestern und vor allem den Ärzten“, sagt Armbrecht. Der Umgang habe die 80-Jährige nicht nur angenehm überrascht, sondern auch sehr berührt. „Besonders, wenn man krank ist, braucht man das ja noch mehr. Ich werde das nicht so schnell vergessen“, ist sich Armbrecht sicher. „Wir können dankbar sein, dass wir das Krankenhaus haben“, findet die ehemalige Erzieherin. Denn sie selbst weiß, was es bedeutet, sich intensiv um die Mitmenschen zu kümmern.

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