Tee, Traditionen und Tücken „Besser Ostfriesland?!“ – das läuft gut, das geht noch besser

Nikola Nording
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Von Nikola Nording
| 01.09.2024 12:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Im September fragen wir uns einen Monate lang: Was kann Ostfriesland schon richtig gut und was geht noch besser? Grafik: Malchus
Im September fragen wir uns einen Monate lang: Was kann Ostfriesland schon richtig gut und was geht noch besser? Grafik: Malchus
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Ostfriesland ist mehr als nur Tee und platte Witze – es ist eine Region voller Traditionen und Potenziale. Im September beleuchten wir Stärken und Schwächen: vom Plattdeutschen bis hin zum Nahverkehr.

Leer - Ostfriesen sind Weltmeister im Teetrinken, vermutlich gibt es über kaum einen Landstrich in Deutschland so viele platte Witze – und dann ist Ostfriesland auch noch so flach, dass man morgens schon sieht, wer abends zu Besuch kommt. Ostfriesland gehört zu den beliebtesten Urlaubsregionen des Landes und ist für eine halbe Million Menschen vor allem eines: Heimat.

Ostfriesland hat viele Chancen und Probleme, es hat ausgeprägte Stärken, aber auch Schwächen. Diesem Thema wollen wir uns einen Monat lang widmen. Die Leeraner Lokalredaktion dieser Zeitung stellt sich am Beispiel des Landkreises Leer die Frage: Was geht in der Region besser und was können wir schon richtig gut?

Daher lautet unser Motto im September: „Besser Ostfriesland?!“ In dieser Zeit sprechen wir mit Menschen aus dem Landkreis Leer über Themen wie Wirtschaft, Einzelhandel, Ernährung, Verkehr, Wohnen, Leben und vieles mehr. Auch Experten kommen in unseren Berichten zu Wort.

Stärken und Schwächen

Begleitet wird unser Themenmonat von einigen Aktionen. In den sozialen Medien haben wir uns ein paar Aktivitäten ausgedacht, die Sie auf unseren Seiten bei Facebook und Instagram entdecken können. Außerdem wird es im September einen Liveblog geben, der täglich Neues zum Thema „Besser Ostfriesland?!“ bereithält. Wir haben auch Menschen aus Politik und Gesellschaft gefragt, welche Gedanken sie zu unserem Projekt „Besser Ostfriesland?!“ haben.

Was ist schon gut in Ostfriesland und was könnte besser sein? Wir haben uns im Vorfeld ein paar Gedanken gemacht.

Besser!

1. Bewahren von Traditionen: Plattdeutsch, Teetrinken, Boßeln, Speckendicken braten – Ostfriesland hat viele Traditionen, die es nur hier gibt. Sie werden gepflegt, oft ehrenamtlich. Das zeichnet die Region aus. Die Ostfriesische Landschaft arbeitet stetig daran, das Erbe der Ostfriesen zu erhalten und ihm hier und da neues Leben einzuhauchen.

Tee – es gibt kaum etwas, das mehr mit Ostfriesland verbindet, als das Heißgetränk. Foto: Schuldt/dpa
Tee – es gibt kaum etwas, das mehr mit Ostfriesland verbindet, als das Heißgetränk. Foto: Schuldt/dpa

2. Wissenschaftliche Expertise und wirtschaftlicher Fortschritt: Die Hochschule Emden-Leer hat bei ihrer Forschung die Bedürfnisse und Belange der Region im Blick und entwickelt daraus Innovationen, die Ostfriesland voranbringen. Doch auch wirtschaftlich entwickelt sich Ostfriesland weiter: Neben Meyer Werft, VW und Enercon und dem traditionell starken Reedereisektor, gibt es einen bisher kleinen, aber entwicklungsstarken Branchenbereich in Leer: Die IT-Branche hat die Stadt für sich entdeckt.

3. Sicherheit und Hilfsbereitschaft: Auch in Ostfriesland steigt die Zahl der Straftaten an. Das lässt sich nicht wegdiskutieren, dennoch ist sie im Vergleich zu anderen Regionen niedrig. Hochgerechnet auf die Anzahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner sei man weiterhin unter dem Landesschnitt, sagte der Leiter der Polizeiinspektion Leer/Emden, Thomas Memering, bei der Vorstellung der Kriminalstatistik kürzlich. Dass die Region so sicher ist, liegt auch am gegenseitigen Kümmern. Wenn beim Nachbarn im Garten etwas nicht stimmt, macht man darauf aufmerksam. In Ostfriesland hilft man sich.

Der Reedereisektor ist wichtig für Ostfriesland. Foto: Archiv
Der Reedereisektor ist wichtig für Ostfriesland. Foto: Archiv

4. Kulturelle Vielfalt: Kulturell ist auf dem Land nichts los? Doch. In Ostfriesland wird Hochkultur beim Musikalischen Sommer, den Gezeitenkonzerten oder dem Verein Junger Kaufleute geboten. Auch Krimi-Fans kommen im TV mit dem „Friesland“-Krimi auf ihre Kosten, Autoren wie Klaus-Peter Wolf oder Peter Gerdes schreiben in ihren Büchern über Ostfrieslands dunkle Seite. Das Zollhaus in Leer ist zu einem Treffpunkt für coole Konzerte geworden und in vielen Dörfern gibt es mindestens eine (plattdeutsche) Theatergruppe. Da soll noch einer sagen, hier ist nichts los.

5. Lebensgefühl und Umgebung: Es ist schwer in Worte zu fassen, aber für jeden, der in Ostfriesland lebt, fühlbar. Das Lebensgefühl in der Region ist etwas Besonderes. Die Natur hat daran einen großen Anteil, zu Land und zu Wasser. Doch auch das Miteinander, die Ruhe und die Besonnenheit der Menschen hier, machen Ostfriesland zu einer Region, in der es sich gut leben lässt.

Besser

1. Widerstand gegen Veränderung: Ostfriesland hat eine große Tradition. Auf die Friesische Freiheit und das Bewährte ist man stolz – leider manchmal auch zum Nachteil von Innovationen und Neuerungen. Neue Ideen haben es schwer und die ein oder andere wurde schon begraben, weil sie vom bekannten Weg abgelenkt hätte. Öfter ein „Das probieren wir einfach mal aus“ statt eines „Das haben wir immer schon so gemacht“ zu hören, wäre schön.

2. Nahverkehrsangebot: Ein Leben ohne Auto in Ostfriesland? Fast nicht möglich. Das kaum vorhandene Nahverkehrsnetz zwingt sogar die größten Idealisten zum Autokauf. Klar, die Region lebt auch vom Autobau, aber muss es deshalb so lückenhaft sein mit den öffentlichen Verkehrsmitteln? Busse fahren selten und umständlich, die Bahn hält in Leer und Emden. Das war’s. In Neermoor, Bunde und Ihrhove kommt bald ein Haltepunkt dazu, das ist toll – aber da geht noch was. Hier stellt sich auch die Henne-Ei-Frage: Ist der Nahverkehr so schlecht, weil niemand damit fährt, oder fährt niemand damit, weil das Angebot so schlecht ist?

Mit dem Bus unterwegs? Manchmal ein schwieriges Unterfangen. Foto: Wolters/Archiv
Mit dem Bus unterwegs? Manchmal ein schwieriges Unterfangen. Foto: Wolters/Archiv

3. Nölen: Was könnte in Ostfriesland nicht alles besser sein? Überall Optimierungsbedarf und früher war sowieso alles viel besser. Ja, im Genöle sind wir in Ostfriesland fast so gut wie im Teetrinken – da nimmt sich diese Zeitung nicht raus. Dabei widersprechen wir uns auch ständig: Natur ist uns wichtig, Naturschutz ist aber viel zu umständlich. Ja, was denn nun? Und das ist nur ein Beispiel. Ostfriesen haben über Jahrhunderte gezeigt, wozu sie fähig sind (Deichbau), wir sollten wieder mehr machen und weniger nölen.

4. Medizinische Versorgung: Es ist kein Problem, mit dem Ostfriesland allein ist. Ländliche Gebiete in Deutschland haben es schwer: Es fehlt an allen Ecken an Ärzten. Die Mediziner, die da sind, haben alle Hände voll zu tun, mal ganz abgesehen von Fachärzten oder MRT/CT-Terminen. Jedoch potenziert sich das Problem auf den Inseln noch weiter. Damit es für Ostfriesland besser wird, muss die Telemedizin dringend ausgebaut werden.

Die Ärzteversorgung ist in Ostfriesland ein Problem. Foto: Molter/dpa
Die Ärzteversorgung ist in Ostfriesland ein Problem. Foto: Molter/dpa

5. Fördermittelabhängigkeit: Ostfriesland ist nicht mehr das Armenhaus der Nation. Diesen Ruf hat es in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich hinter sich gelassen. Die Region blüht, aber auch, weil EU, Bund und Land investieren. Aus eigener Kraft können die wenigsten Kommunen strahlen. VW, Meyer und Enercon sind nicht mehr so krisenfest wie früher. Besser könnte es werden, wenn neue, große Arbeitgeber in die Region kommen. Die Voraussetzungen hat Ostfriesland.

Seien Sie dabei

Doch nicht nur wir wollen uns über das Thema Gedanken machen. Auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, sind gefragt. Teilen Sie gern Ihre Gedanken zu „Besser Ostfriesland?!“ mit uns oder nehmen Sie an unserer Umfrage teil. Oder kommen Sie uns besuchen: Am Mittwoch, 4. September 2024, stehen Mitglieder der Redaktion vor dem Media Store dieser Zeitung in der Mühlenstraße in Leer und möchte mit Ihnen über Chancen und Möglichkeiten in Ostfriesland diskutieren.

Beendet wird der Themenmonat mit einer großen Abschlussveranstaltung. Am Dienstag, 1. Oktober 2024, wollen wir um 19 Uhr in Leer unsere Experten mit Leserinnen und Lesern sowie anderen Entscheidern aus Ostfriesland zusammenbringen und über „Besser Ostfriesland?!“ diskutieren. An verschiedenen Themeninseln stehen die Experten für Fragen und Anregungen zur Verfügung. Wenn Sie dabei sein wollen, melden Sie sich gern unter redaktion@oz-online.de an.

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