„Krieg ist alles, aber nicht heroisch“ Volkstrauertag in Ostfriesland – Gedenkveranstaltungen im Überblick
Der Volkstrauertag ist den Opfern von Krieg und Gewalt gewidmet. Auch in Ostfriesland wurden im Gedenken Kränze niedergelegt.
Ostfriesland - In Ostfriesland wird beim Volkstrauertag der Opfer von Krieg, Terror und Gewalt gedacht.
Appell in Leer: „Hass und Gewalt entschieden entgegentreten“
Unter anderem am Ehrenmal Heisfelder Straße/Annenstraße in der Stadt Leer wurden Kränze niedergelegt.
In diesem Jahr hielt der Kommandeur des Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst „Ostfriesland“, Oberstarzt Dr. Kai Schlolaut, eine Rede, in der er unterstrich wie wichtig es sei, „an die Vergangenheit zu erinnern, aus den Fehlern zu lernen und dem Hass und der Gewalt entschlossen entgegenzutreten“.
Heutzutage sei es „wichtiger denn je“ in Anbetracht der aktuellen Konflikte, den weltweiten Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken. Er erinnerte an einen Moment der Menschlichkeit, als Stabsarzt Günter Stüttgen bei der Schlacht im Hürtgenwald (Allerseelenschlacht) zwischen deutschen und amerikanischen Truppen im Zweiten Weltkrieg 1944 hunderten verwundeten deutschen und amerikanischen Soldaten das Leben rettete. Die Amerikaner hätten gehört, so Schlolaut, dass die Deutschen die Bergung ihrer Verwundeten zuließen und stellten dafür das Feuer ein. Stüttgen sei „die treibende Kraft“ hinter diesem „inoffiziellen Waffenstillstand“ gewesen, der Hunderten das Leben rettete. Schlolaut unterstreicht: „Krieg ist brutal, unmenschlich“, es gehe nicht ums Heroisieren, „Krieg ist alles, aber nicht heroisch“. Es gehe ums „Erinnern“. „Um die Menschen, egal von welcher Seite“. Es gehe um „gegenseitigen Respekt und die Achtung der Menschenwürde“.
Weltkriegs-Zerstörung Emdens sollte gegen Kriegsgedanken sensibilisieren
Die zentrale Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag wurde in Emden auf dem Stadtfriedhof Tholenswehr abgehalten. Oberbürgermeister Tim Kruithoff (parteilos) ging in seiner Ansprache in der Kapelle des Friedhofs darauf ein, dass die Stadt in diesem Jahr ein schreckliches Jubiläum begangen hatte. Am 6. September 1944, also vor 80 Jahren, wurde durch einen großangelegten Bombenangriff der Alliierten mehr als 90 Prozent der Innenstadt zerstört. „Die Zerstörung hinterließ tiefe Wunden und prägt die Erinnerung der Menschen unserer Stadt bis heute. Die Bomben auf Emden während des Zweiten Weltkrieges kosteten 409 Menschen das Leben und 21.000 verloren ihr Hab und Gut und wurden obdachlos“, so Kruithoff.
Unter anderem dieser Jahrestag biete uns die Gelegenheit, unser Bewusstsein und Verständnis für die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die heutige Zeit zu vertiefen und uns zu sensibilisieren. Sensibler auch dem wachsenden Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus gegenüber zu stehen – den „man wird es doch wohl noch sagen“ dürfen, den kleinen scheinbar harmlosen Botschaften auf TikTok, Facebook und Co. und sensibel aufgrund der Erfolge – gerade bei jungen Menschen – der extremen und linken und rechten Kräfte in unserem Land, so Kruithoff. „Frieden beginnt bei uns allen. Er beginnt in unseren Familien, in unseren Gemeinden, in unserer Haltung gegenüber anderen. Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern auch das Streben nach Gerechtigkeit, Respekt und Mitgefühl“, sagte er.
In Suurhusen wurde einem Jugendlichen gedacht
Auch im Landkreis Aurich wurde am Sonntag vielerorts mit Kranzniederlegungen den Opfern von Krieg und Vertreibung gedacht. Bei der zentralen Veranstaltung in Aurich am Ehrenmal an der Von-Jhering-Straße sprach Aurichs Bürgermeister Horst Feddermann und richtete einen Appell an die Teilnehmer: „Lassen Sie uns heute den Mut finden, über unsere eigenen Grenzen hinauszudenken. Lassen Sie uns einander sehen als Menschen, die denselben Planeten teilen, dieselben Hoffnungen haben und oft dieselben Ängste.“
In Suurhusen in der Gemeinde Hinte wurde an diesem Volkstrauertag insbesondere eines Jugendlichen gedacht, dessen Ermordung durch die Nationalsozialisten lange totgeschwiegen wurde. Boje Stübich war in der Landesanstalt in Ebesrwalde in Brandenburg am 16. Oktober 1942 – nur vier Tage nach seinem 16. Geburtstag – ermordet worden, weil er eine Behinderung hatte. Die Dorfbewohner schwiegen sich damals darüber aus. Erst die Recherchen von Dorf-Chronist Johannes Willms hatten das Schicksal des Jugendlichen vor kurzem offenbart. Der Kirchenrat der evangelisch-reformierten Gemeinde hatte somit beschlossen, Bojes Namen auf dem Kriegsmahnmal auf dem Friedhof anbringen zu lassen. Dem Aufruf, Boje jetzt zu gedenken, waren viele Menschen aus Suurhusen gefolgt.