Weltklimakonferenz Verrat oder Fortschritt? Klimagipfel endet nach Verlängerung
Ein komplettes Scheitern der Klimakonferenz in Baku konnten die rund 200 Staaten zwar gerade noch verhindern. Ein großer Wurf bleibt aber auch aus – und der Klimaschutz kommt nicht vom Fleck.
Die einen sprechen von einer neuen Ära, die anderen von Betrug und einem schlechten Witz: Die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan hat sich nach erbittertem Streit auf ein neues Finanzziel für Klimahilfen an ärmere Länder geeinigt. Beim Klimaschutz gelang dagegen kein Fortschritt – trotz zweiwöchiger Beratungen und nochmals 32 Stunden Verlängerung.
Außenministerin Annalena Baerbock lobte die Beschlüsse in Baku dennoch als wichtiges Signal in einer schwierigen geopolitischen Lage. Nun seien aber alle Wirtschaftsnationen der Welt gefragt, um „eine halbwegs verlässliche Lebensversicherung für die Ärmsten“ auf die Beine zu stellen. „Das kann Europa nicht alleine leisten“, sagte sie – auch mit Blick auf China und die reichen Golfstaaten, die bisher beiseitestehen.
Guterres: „Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden“
UN-Generalsekretär António Guterres erwartet, dass die rund 200 Staaten ihr Versprechen nun „vollständig und fristgerecht“ einlösen. „Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden!“
Das neue Kernziel zur Klimafinanzierung, bei dem die Industriestaaten vorangehen sollen, beträgt jährlich 300 Milliarden US-Dollar bis 2035. Als Gesamtziel werden sogar mindestens 1,3 Billionen US-Dollar (aktuell rund 1,25 Billionen Euro) angestrebt, hier sind aber viele Kredite und private Investitionen eingerechnet.
Außerdem sollen weitere Geberländer ermuntert werden, sich freiwillig zu beteiligen. Der Appell ist so weit gefasst, dass Klimaschützer kritisieren, niemand sei konkret für diesen Teil des Finanzziels verantwortlich. Zu konkreten Zahlungen in bestimmter Höhe wird Deutschland, das jährlich rund sechs Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt bereitstellt, mit dem Beschluss genauso wenig verpflichtet wie alle anderen Staaten.
Bisher mobilisieren die klassischen Industriestaaten jährlich gut 100 Milliarden US-Dollar an Klimahilfen. Doch liegt der Bedarf an externer Hilfe inzwischen laut einer unabhängigen UN-Expertengruppe bei rund einer Billion US-Dollar pro Jahr bis 2030 und sogar 1,3 Billionen bis 2035.
Wut und Frust über die Beschlüsse
Mit dem Geld sollen Entwicklungsländer mehr Klimaschutz bezahlen und sich an die fatalen Folgen der Erderwärmung anpassen können. Beispiele sind etwa heftigere und häufigere Dürren, Stürme und Überschwemmungen, die Millionen Menschen leiden lassen und teilweise auch zur Flucht ins Ausland zwingen.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte, die Konferenz läute „eine neue Ära der Klimafinanzierung“ ein. Die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder sieht das anders: „Das ist nicht nur ein Scheitern, das ist ein Betrug“, hieß es von den Ländern, von denen viele in Afrika, Asien oder der Karibik liegen.
Ihre Wut wurde schon in der Nacht spürbar, nachdem der aserbaidschanische Konferenz-Chef den Kompromiss durchgehämmert hatte – Beschlüsse auf Klimakonferenz werden traditionell mit einem Hammerschlag des Gastgebers besiegelt.
Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden unter Applaus aus Teilen des Saals als „Witz“ und „Beleidigung“. Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise alleingelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle.
Saudi-Arabien stand auf der Bremse
Feierte die Welt vor nicht einmal einem Jahr in Dubai die gemeinsame Abkehr von Kohle, Öl und Gas als historisch, gelingt es knapp ein Jahr später nicht einmal mehr, diese Formulierung zu wiederholen. Insbesondere Saudi-Arabien stemmte sich Verhandlern zufolge vehement dagegen. Letztlich wurden Formulierungen so weit abgeschwächt, dass nicht mehr alle zustimmen wollten. Die angepeilten Beschlüsse zum Klimaschutz wurde nach Widerstand im Plenum in letzter Minute ins kommende Jahr vertagt.
Zwischenzeitlich stand in Baku auch ein Scheitern im Raum: Baerbock und viele andere kritisierten die chaotische Führung Aserbaidschans. Die Organisatoren aus dem Petrostaat, dessen Exporterlöse zu 90 Prozent aus Öl und Gas kommen, lobten sich hingegen selbst: Trotz „geopolitischem Gegenwind“ habe man sich durchweg alle Mühe gegeben, „ein ehrlicher Makler“ für alle Seiten zu sein.
Klimaforscher: Emissionen trotz Klimakonferenzen „explodiert“
War die Konferenz zum Scheitern verurteilt? Prominente Stimmen stellen mittlerweile den ganzen Prozess der jährlichen Klimakonferenzen infrage: „Wir haben 28 Konferenzen hinter uns und die Emissionen sind explodiert. Die COP ist ein Spektakel, das dem Klima bisher nichts gebracht hat“, sagte Klimaforscher Mojib Latif der „Rheinischen Post“.
Die Initiatorin von Fridays for Future und einstige Ikone der Klima-Bewegung, Greta Thunberg, hat keine Hoffnungen mehr in den Prozess: Er baue „auf einem System der Ungerechtigkeit“ auf und opfere aktuelle sowie künftige Generationen zugunsten von Profiten, schrieb sie auf X.
Diesmal stand die Klimakonferenz von Anfang an unter dem Schatten des Wahlsiegs von Donald Trump in den USA. Es wird erwartet, dass die Vereinigten Staaten erneut aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen und sich damit praktisch von jeglichen Ambitionen für den Klimaschutz verabschieden könnten.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden bezeichnete den Beschluss in Baku als „historische“ Errungenschaft und sagte: „Mögen manche auch versuchen, die in den USA und weltweit laufende Revolution sauberer Energien zu leugnen oder zu verzögern: Niemand kann sie rückgängig machen – niemand.“