Neue EU-Kommission Wer in der EU bald für Aufmerksamkeit sorgen könnte
Ähnlich wie die neue Regierungsmannschaft von Donald Trump sorgten auch Kandidaten für die künftige EU-Kommission für hitzige Diskussionen. Nun wurde votiert - und es kann nach vorn geblickt werden.
Am Ende war es eine klare Sache: Das Europäische Parlament hat nach wochenlangem Streit der neuen EU-Kommission unter der Führung der deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen zugestimmt. Ab dem kommenden Sonntag ist das 27-köpfige Team nun dafür zuständig, neue EU-Projekte vorzuschlagen und die Einhaltung von europäischem Recht zu überwachen. Es geht um vieles, was im Alltag von knapp 450 Millionen EU-Bürgern eine Rolle spielt. Unter anderem folgende zehn Personen könnten in den kommenden fünf Jahren wichtige Weichen stellen:
Kaja Kallas (47) - Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik
Die frühere estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat als Nachfolgerin des Spaniers Josep Borrell die Herkulesaufgabe vor sich, die EU in der Außenpolitik schlagkräftiger zu machen. Herausfordernd ist das vor allem wegen des Einstimmigkeitsprinzips und der unterschiedlichen Sicht von Mitgliedstaaten auf die weitere militärische Unterstützung für die Ukraine und den Konflikt im Nahen Osten. Kallas‘ Vorteil ist, dass ihr die Politik quasi in die Wiege gelegt wurde: Ihr Vater Siim Kallas war früher Estlands Ministerpräsident und lange Jahre EU-Kommissar. Auch sie selbst verbrachte vier Jahre in Brüssel - als Europa-Abgeordnete von 2014 bis 2018.
Raffaele Fitto (55) - Vizepräsident, zuständig für Kohäsion und Reformen
Über weniges wurde in Brüssel in den vergangenen Wochen so viel gestritten wie über die Personalie Raffaele Fitto. Der Italiener wird künftig als einer der Vizepräsidenten für milliardenschwere Fördermitteltöpfe und Reformen zuständig sein. An seiner Kompetenz und proeuropäischen Ausrichtung zweifelten die wenigsten, wohl aber an seinen politischen Überzeugungen. Grund ist, dass er der rechten Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört. Die Sozialdemokraten und andere Parteien links der Mitte wehrten sich heftig gegen einen rechten Vizepräsidenten, allerdings erfolglos.
Stéphane Séjourné (39) - Vizepräsident, zuständig für Wohlstand und Industriestrategie
Für den Franzosen ist es in diesem Jahr schon der dritte Posten: Séjourné war zunächst Vorsitzender der liberalen Renew-Fraktion im EU-Parlament, bevor er im Januar als Außenminister nach Paris wechselte. Nun wird er als EU-Kommissar zurück nach Brüssel gehen. Als französischer Kandidat war eigentlich der bisherige Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton gesetzt. Der warf allerdings wegen Differenzen mit von der Leyen im September das Handtuch. Séjourné wird künftig eine Schlüsselrolle bei der Frage zukommen, wie Europas Unternehmen im globalen Wettbewerb weiter gestärkt werden können.
Maros Sefcovic (58) - Vizepräsident, zuständig für Handel und wirtschaftliche Sicherheit
Der Slowake Maros Sefcovic ist bereits seit 2009 EU-Kommissar und damit einer der erfahrensten Politiker im Team. In den kommenden fünf Jahren soll er die schwierigen Handelsbeziehungen zu China und den USA managen und neue Handelsabkommen zum Abschluss bringen. Er wird vor allem dann gefragt sein, wenn die USA unter der Führung Donald Trumps Zusatzzölle auf Produkte aus der EU einführen sollten.
Andrius Kubilius (67) - Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt
Mit dem früheren litauischen Regierungschef Andrius Kubilius wird es in der EU erstmals einen Kommissar für Verteidigung geben - der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dürfte ein maßgeblicher Grund dafür sein. Soldaten und Soldatinnen unterstehen dem 67-Jährigen allerdings nicht. Er soll vielmehr dafür sorgen, dass die europäische Rüstungsindustrie den Bedarf erfüllt und genug Geld hat, um ihre Produktionskapazitäten auszubauen.
Oliver Varhelyi (52) - Kommissar für Gesundheit und Tierschutz
Weil er als Vertrauter des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gilt, schlägt dem Karrierediplomaten Oliver Varhelyi in Brüssel viel Misstrauen entgegen. Als einziger musste er im Bestätigungsverfahren des Parlaments schriftlich Zusatzfragen beantworten. An seiner Eignung für einen Kommissarsposten gibt es letztlich aber wenig Zweifel - Varhelyi ist nicht neu in Brüssel, er war bereits Mitglied in Ursula von der Leyens erster Kommission und dort zuständig für Nachbarschaft und Erweiterung.
Magnus Brunner (52) - Kommissar für Inneres und Migration
Der konservative Österreicher Magnus Brunner soll die Umsetzung der im Frühjahr beschlossenen EU-Asylreform überwachen und ein neues Konzept zur beschleunigten Abschiebung irregulär eingewanderter Migranten vorlegen. Zudem wird es seine Aufgabe sein, den Schutz der EU-Außengrenzen zu verbessern. Im Gespräch ist, die ständige Reserve der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex auf 30.000 Einsatzkräfte aufzustocken.
Teresa Ribera (55) - Vizepräsidentin, zuständig für Wettbewerbspolitik und grünen Wandel
Die Spanierin Teresa Ribera soll fairen Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt garantieren und gleichzeitig sicherstellen, dass heimische Unternehmen gegenüber Konkurrenz aus Ländern wie China und den USA bestehen können - zum Beispiel mit Hilfe günstiger Energie aus erneuerbaren Quellen. Politisch erlebte die Sozialistin zuletzt schwere Wochen, Konservative und rechte Abgeordnete warfen ihr Fehler im Umgang mit den schweren Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia vor. Mit diesen hatte sie als Umweltministerin zu tun.
Wopke Hoekstra (49) - Kommissar für Klimaschutz
Der neue Klimakommissar ist gleichzeitig der alte. Als Wopke Hoekstra mitten in der vergangenen Legislaturperiode auf Frans Timmermans folgte, gab es zunächst Zweifel an seinen Ambitionen: Der Niederländer war in der Vergangenheit unter anderem beim Öl-Konzern Shell angestellt. Inzwischen hat die Skepsis nachgelassen. Nun wird Hoekstra erneut dafür verantwortlich sein, den „Green Deal“ umzusetzen, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Der Klimaschutz dürfte zwar keine so große Rolle mehr spielen wie in der vergangenen Legislaturperiode. Insbesondere das Verbrenner-Aus, das ab 2035 in der EU gelten soll, sorgt aber für großen Unmut, sodass Hoekstra weiter im Zentrum hitziger Diskussionen stehen könnte.
Ursula von der Leyen (66) - die Präsidentin
Ein möglicher Handelskrieg mit den USA und China, anhaltender Streit über die Migrationspolitik, ungeklärte Finanzierungsfragen und der ungewisse Ausgang des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine: Die ganz großen Themen werden auch weiterhin auf dem Tisch der früheren deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen landen. Erfahrung als Kommissionspräsidentin hat die CDU-Politikerin mittlerweile: Die aus Niedersachsen stammende Mutter von sieben erwachsenen Kindern hat bereits fünf Jahre im Amt hinter sich und sitzt bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie denen der G7 und G20-Staaten als EU-Repräsentantin mit am Tisch. Im Ranking des US-Magazins „Forbes“ ist sie derzeit die „mächtigsten Frau der Welt“.
Im Europaparlament rief von der Leyen am Mittwoch dazu auf, die Streitigkeiten der vergangenen Wochen nun hinter sich zu lassen. „Wir müssen Wege finden, wie wir zusammenarbeiten und Fragmentierung überwinden können“, sagte sie. Sie und ihre Kommission seien bereit, sich sofort an die Arbeit zu machen.