Nach dem Tod einer 16-Jährigen: Arzt fordert Altersgrenze für Kauf von Energy-Drinks
Dr. Felix Oberhoffer und sein Team hatten dem Mädchen nicht mehr helfen können. Mediziner halten vor allem den hohen Koffeingehalt der Aufputschgetränke für bedenklich.
Ostfriesland - Ende des Zweiten Weltkrieges versorgte das japanische Militär ihre Kampfpiloten mit Taurin. Ziel der Regierung war es, mit der Verabreichung dieser organischen Säure die Sehfähigkeit der Flieger zu verbessern. Einige Jahre später mixten findige Chemiker im Land der aufgehenden Sonne Taurin mit Koffein und Zucker. Es ist 1962. Das Pharmaunternehmen „Taisho“ hat den Energy-Drink erfunden.
Es heißt, die Firma verdiene mit dem Gesöff namens „Lipovitan“ mehr Geld als Toyota mit Autos. Ob das stimmt? Sicher ist, dass mit Red Bull der aktuelle Marktführer im vergangenen Jahr weltweit gut 12,14 Milliarden Dosen verkauft hat. Umsatz mehr als 6 Milliarden Euro.
Zielgruppe von Red Bull-Gründer Dietmar Mateschitz und den Mitbewerbern sind Jugendliche – und die lassen sich vom süßen Geschmack und gezielten Werbe-Strategien offenbar beeinflussen. 68 Prozent in dieser Altersklasse gelten jedenfalls laut einer Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als regelmäßige Konsumenten des aufputschenden Gesöffs.
Unbewusster Selbst-Test
Auf der Erde versuchten die Vertriebler derweil, die roten Bullen mit breit angelegten Werbe-Aktionen zu überflügeln – unter anderem bei Funsport-Events. So kam es 1997 zu einem unvergesslichen Selbsttest: Für den Beachvolleyball-Cup in Dangast am Jadebusen hatten die Veranstalter „Warp 4“ als Hauptsponsor gewinnen können. Etliche Kühltruhen standen am Strand. Alle Turnierspieler konnten sich kostenlos bedienen, für Nachschub war immer gesorgt. Es gab jederzeit gekühlte Dosen. Es war ein heißer Sommertag. Es war ein langer Turniertag. Und es waren wohl so um die 15 Dosen, die im Verlauf des unbewussten Selbsttests bis zum Abend geleert worden waren.
Erinnerung Nummer 1:
Relevante Geschmacksunterschiede gab es zwischen dem bereits bekannten „Red Bull“ und dem bis dato unbekannten „Warp 4“ nicht. Beides ist Kategorie Gummibärchen. Aber: Die neue Marke hatte mehr Wumms, sprich: Da war mehr Kohlensäure drin.
Erinnerung Nummer 2:
Die Party im Alten Kurhaus endete am nächsten Morgen. Hoher Puls, Herzklopfen, dazu hellwach und aufgedreht. In der Nacht waren mehrere Versuche gescheitert, in den Schlafsack zu kriechen. Pausemachen war einfach nicht auszuhalten. Also wurde gefeiert, bis der DJ abbaute.
Erinnerung Nummer 3:
Trotz des massiven Schlafdefizits und weiteren Spielen am Sonntag nahm die Unruhe nicht ab. Der Mund fühlte sich klebrig und gummibärig an – trotz ausgiebiger Zahnputzerei. Und was für ein Unglaublicher Durst! Die Unmengen an Koffein und Zucker hatten Folgen: „Warp 4“ hatte ausgeflogen.
Dr. Oberhoffer befürwortet wie viele andere Ärzte und Organisationen auch eine Altersgrenze für den Kauf von Energy-Drinks. Die Educate-Studie zeige, dass sich bereits die als „unbedenklich“ betrachtete Dosis an Koffein in dieser Altersgruppe ungünstig auf das Herz-Kreislauf-System auswirke. „Kindern und Jugendlichen sollte vom Konsum von Energy Drinks abgeraten werden“, betont der Münchner Mediziner. Ein Verkaufsverbot an Minderjährige gibt es aktuell in Litauen und Lettland.
Der tragische Todesfall einer jungen Schülerin war für Dr. Felix Oberhoffer der Anlass gewesen, mit weiteren Kollegen ein Forschungsprojekt zu beginnen. Die 16-Jährige war im Unterricht nach einer Herzrhythmusstörung kollabiert und reanimiert worden. Wenige Tage später starb sie im Klinikum – auf der Station von Dr. Oberhoffer. Niemand hatte ihr mehr helfen können. Aufgrund einer unbemerkten und deshalb unbehandelten Herzmuskelentzündung war es zu einer Herzschwäche gekommen. In den drei Tagen vor dem Zusammenbruch hatte die 16-Jährige für eine Prüfung gelernt, sehr wenig geschlafen und große Mengen an Energy-Drinks getrunken. Und der behandelnde Arzt fragte sich: „Was hat der exzessive Konsum der Energy-Drinks zu dem tragischen Ausgang beigetragen?“
Im Laufe der Studie wurde deutlich, dass Energy-Drinks in Verbindung mit Triggerfaktoren (Sport, Alkohol, Stress) sowie Vorerkrankungen das Herz, aber auch andere Organe wie Niere und Gehirn, insbesondere bei Jugendlichen gefährden können.