Lage im Überblick Keine Aussicht auf Waffenruhe in Gaza

dpa
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Von dpa
| 02.01.2025 04:32 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Angehörige der Geiseln fordern unermüdlich ihre Freilassung. (Archivbild) Foto: Ariel Schalit/AP/dpa
Angehörige der Geiseln fordern unermüdlich ihre Freilassung. (Archivbild) Foto: Ariel Schalit/AP/dpa
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Seit 15 Monaten wütet der Gaza-Krieg nun schon. Die Gespräche über eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln stecken anscheinend wieder fest. Derweil geht das Töten weiter.

Während Israels Armee 15 Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs den Druck auf die islamistische Hamas in dem Küstenstreifen erhöht, scheinen die Gespräche über eine Waffenruhe wieder in der Sackgasse zu stecken. Mehreren israelischen Beamten zufolge weigere sich die Hamas weiter, Israel eine Liste der noch lebenden Geiseln zu übermitteln, meldete die „Times of Israel“. Laut dem „Wall Street Journal“ erwarten arabische Vermittler, dass beide Seiten erst nach dem Amtsantritt des designierten US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar an den Verhandlungstisch zurückkehren werden.

Israels Armee geht derweil im Norden des Gazastreifens weiter massiv gegen die Hamas vor. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, im Ort Dschabalija seien 15 Menschen beim Bombardement eines Wohnhauses ums Leben gekommen, darunter mehrere Kinder. Israels Armee sagte dazu auf Anfrage, Kampfjets hätten Hamas-Kämpfer in einem Gebäude angegriffen und getötet. Zuvor habe man Maßnahmen ergriffen, um Schaden von Zivilisten möglichst abzuwenden. Keine der Angaben ließ sich unabhängig überprüfen.

Israel steht wegen der hohen Zahl von Opfern unter der palästinensischen Zivilbevölkerung international in der Kritik. Foto: Hadi Daoud/APA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Israel steht wegen der hohen Zahl von Opfern unter der palästinensischen Zivilbevölkerung international in der Kritik. Foto: Hadi Daoud/APA Images via ZUMA Press Wire/dpa

Israels Militäranwältin fordert mehr Vorsicht 

Israels oberste Militäranwältin warnte laut einem Medienbericht, die Armee unterschätze bei Angriffen im Gazastreifen teilweise die Zahl von Zivilisten in bestimmten Gebieten. Es sei mehr Vorsicht notwendig, schrieb auch Generalmajor Jifat Tomer-Jeruschalmi nach Angaben des Armeesenders in einem scharf formulierten Brief an den zuständigen Kommandeur Jaron Finkelman. So seien aus Beit Lahia im Norden Gazas rund 14.000 Zivilisten geflohen. Das Militär habe zuvor aber nur mit 3.000 Menschen in dem Gebiet gerechnet. 

Israels Armee hatte nach eigenen Angaben allein im Dezember mehr als 1.400 Luftangriffe gegen Ziele in Gaza geflogen. Dazu zählten Kämpfer der Hamas und verbündeter Gruppen, Tunnel, Beobachtungs- und Scharfschützenposten sowie Waffenlager, teilte das Militär auf seiner Webseite mit. Die Armee betont zwar stets, sie unternehme alles, um zivile Opfer zu vermeiden. Wegen der hohen Zahl ziviler Opfer stehen die israelische Regierung und die von ihr befehligten Streitkräfte aber international schwer in der Kritik. 

Israels Armee erhöht im Gazastreifen den Druck auf die Hamas. (Archivbild) Foto: Tsafrir Abayov/AP/dpa
Israels Armee erhöht im Gazastreifen den Druck auf die Hamas. (Archivbild) Foto: Tsafrir Abayov/AP/dpa

Hamas beharrt auf Ende des Krieges

Seit Beginn des Krieges nach dem beispiellosen Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 mit 1.200 Toten sind nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen mehr als 45.500 Menschen getötet worden. Die unabhängig nicht überprüfbare Zahl unterscheidet allerdings nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. 

Seit Monaten bemühen sich die USA, Ägypten und Katar als Vermittler um eine Waffenruhe und die Freilassung der noch rund 100 im Gazastreifen vermuteten Geiseln, von denen wohl viele nicht mehr am Leben sein dürften. Erst kürzlich hatte es Anzeichen für eine mögliche Einigung gegeben. Doch die Hamas erneuerte Medienberichten zufolge ihre Forderung nach einer Beendigung des Krieges, was Israel ablehnt.

Die Islamisten haben den Vermittlern bislang keine vollständige Liste aller Geiseln vorgelegt. Man brauche mehr Zeit und eine Kampfpause, um ihren Aufenthaltsort und Gesundheitszustand in Erfahrung zu bringen, erklärte die Hamas den Berichten nach. Einige Geiseln sollen sich in der Gewalt anderer Terrorgruppen befinden. Israel schenke jedoch der Behauptung der Hamas keinen Glauben, dass sie nicht in der Lage sei, eine Liste der Geiseln vorzulegen, berichtete die „Times of Israel“. 

Die palästinensische Autonomiebehörde hat dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira jede Tätigkeit im israelisch besetzten Westjordanland untersagt. (Archivbild) Foto: Tim Brakemeier/dpa
Die palästinensische Autonomiebehörde hat dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira jede Tätigkeit im israelisch besetzten Westjordanland untersagt. (Archivbild) Foto: Tim Brakemeier/dpa

Palästinenser verbieten Al-Dschasira im Westjordanland

Die palästinensische Autonomiebehörde hat unterdessen dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira und dessen Mitarbeitern jede Tätigkeit im israelisch besetzten Westjordanland untersagt. „Die Entscheidung erfolgte, nachdem Al-Dschasira weiterhin hetzerisches Material und Reportagen ausgestrahlt hatte, die die Öffentlichkeit in die Irre führten, Unfrieden säten und sich in die inneren Angelegenheiten Palästinas einmischten“, zitierte die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa aus einer Mitteilung der Autonomiebehörde.

Das israelische Besatzungsmilitär hatte bereits im vergangenen September das Al-Dschasira-Büro in Ramallah geschlossen. Reporter des Senders berichteten aber weiterhin aus allen Teilen des Westjordanlandes. Dabei traten sie nicht mehr als Al-Dschasira-Mitarbeiter auf, sondern als freie Medienschaffende. In Israel selbst ist der arabische Fernsehsender seit Mai vergangenen Jahres verboten. 

Im Westjordanland jedoch blieb der reichweitenstarke Sender bei der Autonomiebehörde zunächst wohlgelitten. Das dürfte sich jedoch geändert haben, seitdem sich Extremisten der Hamas und andere Militante in der Stadt Dschenin im Westjordanland seit fast einem Monat schwere Gefechte mit den Sicherheitskräften der palästinensischen Autonomiebehörde liefern. Der in Katar ansässige Sender nahm einseitig Partei für die Extremisten, was den Zorn der Behörde und ihrer wichtigsten politischen Kraft hervorrief: der Fatah-Bewegung des gemäßigten Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.

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