Die Lage im Überblick Heute sollen drei weitere Gaza-Geiseln freikommen

dpa
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Von dpa
| 01.02.2025 05:09 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Während Jarden Bibas heute freikommen soll, ist das Schicksal seiner Frau und Kinder ungewiss. (Archivbild) Foto: Uncredited/Hostages Family Forum/AP/dpa
Während Jarden Bibas heute freikommen soll, ist das Schicksal seiner Frau und Kinder ungewiss. (Archivbild) Foto: Uncredited/Hostages Family Forum/AP/dpa
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Nach fast 16 Monaten Geiselhaft sollen heute drei Männer freikommen. Darunter ist der Vater zweier Kinder, die zusammen mit ihrer Mutter ebenfalls entführt wurden. Die Welt bangt um ihr Schicksal.

Im Gazastreifen sollen heute drei weitere israelische Geiseln von der islamistischen Hamas freigelassen werden. Dabei handelt es sich nach israelischen Angaben um die drei Männer Keith Siegel (65), Ofer Kalderon (54) und Jarden Bibas (35). Im Gegenzug wird mit der Freilassung von 90 palästinensischen Häftlingen durch Israel gerechnet. Zudem soll laut israelischen Medienberichten der wichtige Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza wieder geöffnet werden. Er sei wieder nutzbar und werde von Beamten der Palästinensischen Autonomiebehörde betrieben, die von EU-Grenzschützern unterstützt würden, erfuhr die dpa von Diplomaten in Brüssel.

Bibas, seine Frau Schiri und ihre beiden Söhne Kfir, der damals noch ein Baby war, und der damals 4-jährige Ariel waren am 7. Oktober 2023 während des Terrorüberfalls der Hamas und anderer extremistischer Gruppe in Israel verschleppt worden. Jarden wurde dabei verletzt und laut Medien getrennt von seiner Frau und den Kindern in den abgeriegelten Gazastreifen entführt. Während Jarden Bibas nach fast 16 Monaten freikommen soll, ist das Schicksal seiner Frau und Kinder, die auch einen deutschen Pass haben, ungewiss.

Während Jarden Bibas heute freikommen soll, ist das Schicksal seiner Frau und Kinder ungewiss. (Archivbild) Foto: Uncredited/Hostages Family Forum/AP/dpa
Während Jarden Bibas heute freikommen soll, ist das Schicksal seiner Frau und Kinder ungewiss. (Archivbild) Foto: Uncredited/Hostages Family Forum/AP/dpa

Sorge um das Schicksal der Bibas-Familie  

Die Hamas hatte vor langer Zeit gesagt, die drei seien bei Israels Angriffen umgekommen. Israel bestätigte ihren Tod nicht. Die Angst um sie verstärkte sich in den vergangenen Tagen. Nach dem Waffenruhe-Abkommen sollten Frauen und Kinder zuerst freigelassen werden. Bisher kamen neun Frauen, darunter Soldatinnen, und sechs Männer frei. Darunter fünf Thailänder.

Bibas, der neben der israelischen auch die argentinische Staatsbürgerschaft hat, sowie die beiden anderen freizulassenden Männer sollen im Gazastreifen zunächst an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben werden. Anschließend bringt die israelische Armee sie in ein Krankenhaus. Keith Siegel hat auch die US-Staatsbürgerschaft, Ofer Kalderon auch die französische. 

Es handelt sich um den vierten Austausch von Geiseln gegen palästinensische Strafgefangene, seitdem am 19. Januar eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen in Kraft getreten war. Das Abkommen sieht vor, dass in einer ersten Phase innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln im Austausch für 1.904 palästinensische Häftlinge freigelassen werden. 

Bei der kürzlichen Übergabe von Geiseln kam es zu chaotischen Szenen. Foto: Abed Rahim Khatib/dpa
Bei der kürzlichen Übergabe von Geiseln kam es zu chaotischen Szenen. Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Geht der Krieg weiter?

Bei der jüngsten Geiselübergabe in Chan Junis im Süden Gazas waren am Donnerstag in einer Live-Fernsehübertragung verstörende Szenen zu sehen, als die Deutsch-Israelis Arbel Yehud (29) und Gadi Moses (80) durch eine dicht gedrängte und laut schreiende Menschenmenge gehen mussten. Vermummte und bewaffnete Islamisten begleiteten und beschützten sie in dem Gedränge.

Die Bilder der schwer bewaffneten Kämpfer der Hamas und des Islamischen Dschihad sind aus israelischer Sicht unzumutbar. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu steht unter starkem Druck rechtsextremer Koalitionspartner, den Krieg fortzusetzen. Israel und die Hamas hatten sich darauf geeinigt, dass sie am 16. Tag der Waffenruhe, also am kommenden Montag, Verhandlungen über ein dauerhaftes Ende des Krieges und die Freilassung aller noch lebenden Geiseln aufnehmen werden. Doch Beobachter halten es für möglich, dass diese zweite Phase des Abkommens möglicherweise gar nicht erst umgesetzt wird.

Israels Regierungschef Netanjahu will nächste Woche nach Washington reisen. (Archivbild) Foto: Abir Sultan/Pool European Pressphoto Agency/AP/dpa
Israels Regierungschef Netanjahu will nächste Woche nach Washington reisen. (Archivbild) Foto: Abir Sultan/Pool European Pressphoto Agency/AP/dpa

Weißes Haus bestätigt Netanjahu-Besuch am Dienstag

Dies könnte allerdings das Schicksal der israelischen Geiseln - darunter viele junge Männer - besiegeln, die noch im Gazastreifen festgehalten werden und die erst in der zweiten Phase freikommen sollen. Derzeit werden israelischen Angaben zufolge noch 82 Geiseln in dem Küstengebiet festgehalten. Kommende Woche will Israels Regierungschef Netanjahu nach Washington reisen. Dort wird ihn US-Präsident Donald Trump am Dienstag im Weißen Haus empfangen, wie die Sprecherin der US-Regierungszentrale, Karoline Leavitt, in Washington bestätigte. Trump ist als enger Verbündeter Netanjahus bekannt.

Derweil sollen an diesem Wochenende erstmals seit neun Monaten schwer kranke Patienten aus dem Gazastreifen wieder über den Grenzübergang Rafah evakuiert werden. Rund 50 sollen in Krankenhäuser außerhalb verlegt werden, weil sie im Gazastreifen nicht angemessen behandelt werden können, sagte Rik Peeperkorn, der Repräsentant der Weltgesundheitsbehörde WHO für die besetzten palästinensischen Gebiete. Das sei aber viel zu wenig. Insgesamt brauchten 12.000 bis 14.000 Personen dringend medizinische Hilfe außerhalb des Gazastreifens. Darunter seien mindestens 2.500 Kinder. Es geht um Menschen mit lebensbedrohlichen Krankheiten oder Kriegsverletzungen. 

Der Grenzübergang Rafah soll wieder geöffnet werden. Foto: Mohammed Arafat/AP/dpa
Der Grenzübergang Rafah soll wieder geöffnet werden. Foto: Mohammed Arafat/AP/dpa

Grenzübergang Rafah soll wieder öffnen

Der Grenzübergang Rafah ist der einzige zum Gazastreifen, der nicht über israelisches Gebiet führt. Er wurde geschlossen, nachdem die israelische Armee dort im vergangenen Mai auf palästinensischer Seite die Kontrolle übernommen hatte. Die Wiedereröffnung soll auch die Einfuhr von deutlich mehr humanitärer Hilfe für die Palästinenser in Gaza ermöglichen. In dem vom Krieg verwüsteten Küstengebiet leben mehr als zwei Millionen Menschen. 

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln nach Gaza verschleppt. Der Überfall war der Auslöser des Krieges in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo seither laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 47.400 Menschen getötet wurden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

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