Lage im Überblick Trump beharrt auf Gaza-Plan - Scholz nennt Vorstoß skandalös

dpa
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Von dpa
| 10.02.2025 00:56 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Den US-Präsidenten scheint die harsche Kritik an seinen Gaza-Plänen nicht zu beeindrucken. Foto: Ben Curtis/AP/dpa
Den US-Präsidenten scheint die harsche Kritik an seinen Gaza-Plänen nicht zu beeindrucken. Foto: Ben Curtis/AP/dpa
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Donald Trump will den Gazastreifen unter US-Kontrolle bringen und Hunderttausende Palästinenser umsiedeln. Der Kanzler findet das empörend. Im Westjordanland weitet Israel seine Militäroffensive aus.

US-Präsident Donald Trump hat seine viel kritisierten Pläne zur Übernahme des Gazastreifens durch die USA bekräftigt. Auf einem Flug mit der Präsidentenmaschine Air Force One sagte der Republikaner über das Küstengebiet: „Wir sind entschlossen, es zu besitzen, es zu nehmen und sicherzustellen, dass die Hamas nicht zurückkommt.“ Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete Trumps Vorhaben, die Palästinenser aus dem Gazastreifen umzusiedeln und den Küstenstreifen zu einer „Riviera des Nahen Ostens“ zu machen, als „Skandal“.

Trump sprach auf dem Flug vor Journalisten darüber, den Gazastreifen zu kaufen. Teile des Gebiets könnten anderen Staaten im Nahen Osten für den Wiederaufbau überlassen werden, sagte er. Vergangene Woche hatte Trump im Beisein des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erstmals verkündet, die USA würden den Gazastreifen „übernehmen“ und das - nach 15 Monaten Krieg von Tod und Zerstörung gezeichnete - Gebiet in eine wirtschaftlich florierende „Riviera des Nahen Ostens“ verwandeln.

Die im Gazastreifen lebenden Palästinenser sollen das Gebiet nach dem Willen Trumps verlassen - obwohl eine Vertreibung der gut zwei Millionen Menschen Experten zufolge gegen das Völkerrecht verstoßen würde und die Vereinten Nationen bereits vor einer „ethnischen Säuberung“ warnen.

Scholz und Merz reagieren irritiert auf Trumps Vorstoß

Die von Netanjahu begrüßten - und von Ägypten und anderen Ländern der Region entschieden abgelehnten - Aussagen des US-Präsidenten lösten heftige Kritik im In- und Ausland aus. Kanzler Scholz kritisierte Trumps Vorstoß als skandalös. „Die Umsiedlung von Bevölkerung ist nicht akzeptabel und gegen das Völkerrecht“, sagte der SPD-Politiker im TV-Duell mit Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz in ARD und ZDF. Im Übrigen sei die Bezeichnung „Riviera des Nahen Ostens“ angesichts der unglaublichen Zerstörung im Gazastreifen „furchtbar“.

Merz erklärte, er teile die Einschätzung des Kanzlers. Trumps Vorstoß gehöre in eine ganze Serie irritierender Vorschläge aus der US-Administration. „Aber man muss abwarten, was davon dann wirklich ernst gemeint ist und wie es umgesetzt wird. Da ist wahrscheinlich auch viel Rhetorik dabei.“

Sowohl Kanzler Scholz als auch sein Herausforderer Merz sind irritiert ob des Vorstoßes Trumps. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Sowohl Kanzler Scholz als auch sein Herausforderer Merz sind irritiert ob des Vorstoßes Trumps. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Trump zufolge sollen die Einwohner des Gazastreifens künftig in anderen arabischen Staaten unterkommen. „Sie wollen nicht nach Gaza zurückkehren“, behauptete der Republikaner. „Der einzige Grund, warum sie über eine Rückkehr nach Gaza sprechen, ist, dass sie keine Alternative haben.“ Trump stellte es so dar, als sorge er sich vor allem um das Wohlergehen der Zivilbevölkerung, die im zerstörten Gazastreifen nicht länger leben könne.

Trumps Berater hatten sich vor seinen erneuten Einlassungen an Bord der Präsidentenmaschine zwar bemüht, die vorherigen Äußerungen des Präsidenten zu entschärfen. Der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, Steve Witkoff, sagte etwa, Trump wolle weder US-Soldaten in den Gazastreifen schicken noch Geld für den Wiederaufbau bereitstellen. Die Kritik ebbte aber dennoch nicht ab. Bislang hat sich auch kein arabisches Land der Region bereit erklärt, die Menschen auf Trumps Wunsch hin aufzunehmen.

Nach Trumps Vorstoß zur Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens ist in Ägypten ein Gipfeltreffen zur Lage der Palästinenser geplant. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas habe das Spitzentreffen arabischer Staaten beantragt, teilte das ägyptische Außenministerium mit. Am 27. Februar sollten die Staats- und Regierungschefs der Region in Kairo über die „neue und gefährliche Entwicklung in der Palästinenserfrage“ beraten, hieß es.

Israel weitet Militäroffensive im Westjordanland aus

Unterdessen geht die israelische Armee im Gazastreifen und auch im Westjordanland weiter mit Härte gegen militante Palästinenser vor. Bei neuen Militäreinsätzen wurden nach palästinensischen Angaben sechs Menschen getötet. Im Westjordanland weitete die Armee ihre vor zwei Wochen begonnene Offensive abermals aus und rückte in das Flüchtlingsviertel Nur Schams ein. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben zwei Frauen getötet. Eine von ihnen sei schwanger gewesen.

Auch das Ungeborene habe nicht überlebt, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium in Ramallah mit. Die 23-Jährige sei im achten Monat schwanger gewesen. Auch ihr Mann sei lebensgefährlich verletzt worden, als israelische Soldaten das Feuer auf ihr Fahrzeug in Nur Schams bei der Stadt Tulkarem im Norden des Westjordanlandes eröffneten. Die Armee teilte später mit, die Verbrechensabteilung der Militärpolizei untersuche den Vorfall.

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz betonte, das Militär habe die Operation „Eisenmauer“ auf Nur Schams ausgeweitet. „Wir zerschlagen die terroristische Infrastruktur in den Flüchtlingslagern und verhindern ihre Rückkehr. Wir werden nicht zulassen, dass die iranische Achse des Bösen eine östliche Terrorfront aufbaut“, sagte der Minister.

Die israelische Armee hat ihrer Militäroffensive auf das Flüchtlingsviertel Nur Schams bei Tulkarem ausgeweitet. (Foto-Archiv) Foto: Nasser Ishtayeh/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Die israelische Armee hat ihrer Militäroffensive auf das Flüchtlingsviertel Nur Schams bei Tulkarem ausgeweitet. (Foto-Archiv) Foto: Nasser Ishtayeh/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa

Tote auch im Gazastreifen

Im Gazastreifen bleibt die Lage trotz der seit dem 19. Januar geltenden Waffenruhe zwischen Israels Armee und der Terrororganisation Hamas weiter äußerst angespannt. Israelische Soldaten erschossen nach palästinensischen Angaben vier Menschen. In Gaza-Stadt seien drei junge Männer getötet worden, teilte der von der islamistischen Hamas kontrollierte Zivilschutz mit. 

Anwohner erzählten der Deutschen Presse-Agentur am Telefon, die Opfer hätten israelische Militäreinheiten in der Nähe des Grenzzaunes zu Israel gefilmt, woraufhin die Soldaten das Feuer eröffnet hätten. Im Süden des Gazastreifens sei eine ältere Frau erschossen worden, als sie zu ihrem Haus gelangen wollte, berichtete das ebenfalls von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium.

Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, Soldaten hätten im Norden des Gazastreifens das Feuer auf mehrere Verdächtige eröffnet, die sich ihren Stellungen in der Pufferzone am Grenzzaun genähert hätten. Es habe Treffer gegeben, worauf sich die Verdächtigten zurückgezogen hätten. Die Armee rief erneut alle Bewohner des Gazastreifens auf, sich keinesfalls israelischen Truppen zu nähern. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen am 7. Oktober 2023 in Israel. Damals wurden rund 1.200 Menschen getötet und etwa 250 in den Gazastreifen verschleppt. Israel ging daraufhin zum Angriff über. Nach palästinensischen Angaben wurden bei den 15-monatigen Kämpfen mehr als 48.000 Palästinenser getötet, darunter vor allem Zivilisten.

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