Erinnerungskultur Buchenwald-Gedenken mit Kontroverse und Eklat

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Von dpa
| 06.04.2025 12:35 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Der KZ-Überlebende Naftali Fürst appellierte daran, „Mensch“ zu bleiben. Foto: Bodo Schackow/dpa
Der KZ-Überlebende Naftali Fürst appellierte daran, „Mensch“ zu bleiben. Foto: Bodo Schackow/dpa
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Nur noch wenige Überlebende sind beim Gedenken an die Befreiung Buchenwalds dabei. Einer von ihnen - Naftali Fürst - findet starke Worte bei der Kranzniederlegung. Dort kommt es auch zu einem Eklat.

Gemeinsam mit KZ-Überlebenden haben mehrere hundert Menschen an die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora vor 80 Jahren gedacht. Nach einem Gedenkakt im benachbarten Weimar mit einer Rede von Altbundespräsident Christian Wulff wurden am Nachmittag auf dem ehemaligen Appellplatz des Lagers Buchenwald Kränze niedergelegt. Dort kam es auch zu einem Eklat um das Wort „Genozid“.

Überlebender Naftali Fürst: Bleibt Mensch

Zuvor sprach dort der 92-jährige Naftali Fürst, Überlebender der KZ Auschwitz und Buchenwald. Er beschrieb in seiner auf Hebräisch gehaltenen und auf Deutsch übersetzten Rede ein tägliches Bild, das sich ihm im KZ Buchenwald eingebrannt habe: von Häftlingen geschobene Karren, beladen mit aus den Baracken gesammelten Leichen, die ins Krematorium gebracht wurden. 

„Wir sind nur noch sehr wenige, bald werden wir Ihnen endgültig den Stab der Erinnerung weitergeben und damit verleihen wir Ihnen eine historische Verantwortung“, sagte Fürst den Zuhörenden. Er appellierte: „Bleibt - jede, jeder von euch - ein Mensch.“ Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) hatte Naftali am Samstagabend mit dem Thüringer Verdienstorden ausgezeichnet.

Eklat um Jugendprojekt-Rednerin

Buh-Rufe gab es bei einem Beitrag zu einem Jugendprojekt. Eine junge Teilnehmerin sprach auf Englisch von einem „Genozid“ in Palästina. Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner griff ein: Es müsse um die unschuldig Getöteten dort getrauert werden können - aber von einem „Genozid“ zu sprechen, gerade an einem Ort wie Buchenwald, gehöre sich nicht. 

Kontroverse um Rede von Omri Boehm

Vor den Gedenkveranstaltungen war ein Konflikt zwischen der Botschaft Israels und der Stiftung, die hinter der Gedenkstätte steht, publik geworden. Die Stiftung hatte eine geplante Rede des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm aus dem Gedenk-Programm genommen und angekündigt, Boehm zu einem anderen Termin einzuladen. Der Enkel einer Holocaust-Überlebenden hatte sich in der Vergangenheit kritisch etwa zur israelischen Gedenkstätte Yad Vashem und zur israelischen Politik geäußert. 

Die israelische Botschaft in Berlin hatte auf X geschrieben, es sei empörend und eine „eklatante Beleidigung des Gedenkens an die Opfer“, Boehm einzuladen. In dem Posting unterstellte die Botschaft ihm unter anderem, den Holocaust zu relativieren. Botschafter Ron Prosor kam auch zur Kranzniederlegung.

Stiftungsdirektor Wagner hatte erklärt, er habe durch die Verschiebung der Rede verhindern wollen, dass die Überlebenden weiter in den Konflikt hineingezogen würden. Die Überlebenden sollten im Mittelpunkt stehen, nicht die Debatte um die Rede.

Altbundespräsident zu Boehm und AfD

Altbundespräsident Christian Wulff bezeichnete Boehm in seiner Rede beim Gedenkakt als „Anwalt universeller Menschenwürde“. Er verstehe aber „die Empfindsamkeit angesichts des undenklichen Leids der noch immer in den Händen der Terrororganisation Hamas befindlichen israelischen Geiseln“.

Deutliche Kritik übte Wulff an der in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD. „Die Verharmloser der AfD ignorieren, dass die AfD mit ihrer Ideologie den Nährboden bereitet, dass sich Menschen in Deutschland unwohl fühlen und tatsächlich konkret gefährdet sind.“

Zehntausende Tote in Buchenwald 

In das KZ Buchenwald bei Weimar und seine 139 Außenlager hatten die Nationalsozialisten seit dem Sommer 1937 etwa 280.000 Menschen verschleppt. 56.000 Menschen wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheiten, durch Zwangsarbeit oder medizinische Experimente. 

Als US-Truppen das Lager am 11. April 1945 erreichten, waren SS-Kommandeure und Wachleute bereits geflohen und bewaffnete Widerstandsgruppen aus Häftlingen hatten die Kontrolle übernommen. 21.000 Häftlinge erlebten die Befreiung, darunter mehr als 900 Kinder und Jugendliche. Zehntausende Häftlinge waren noch kurz vorher von der SS auf sogenannte Todesmärsche getrieben worden.

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