Nach tödlichen Schüssen 10.000 Menschen gedenken Lorenz A. in Oldenburg


In Oldenburg versammelten sich rund 10.000 Menschen, um Lorenz A. zu gedenken, der bei einem Polizeieinsatz erschossen wurde. Die Demonstration verlief friedlich.
Oldenburg - „Lorenz war sensibel, aber stark. Ruhig, aber voller Energie. Er hat geteilt, ohne je etwas zu erwarten. Es gab kein Dein und Mein“, sagt Issa mit belegter Stimme. Er ist ein Freund von Lorenz A., der am Ostersonntag bei einem Polizeieinsatz in Oldenburg erschossen wurde. „Lorenz war echt. Auf eine Art, wie man es kaum noch kennt. Und jetzt ist er weg. Nicht weil er krank war, nicht weil sein Schicksal geschlagen hat, sondern weil die Polizei ihn erschossen hat.“ Es sind nur einige der vielen emotionalen, traurigen, aber auch wütenden Worte, die am Freitag, 25. April 2025, in Oldenburg fallen. Anlass ist die Gedenk-Demo für den Erschossenen. Rund 10.000 Menschen sind laut Angaben der Polizei an diesem Abend auf der Straße.
Sie alle gedenken an diesem frühen Abend Lorenz A., fordern eine lückenlose Aufklärung des Polizeieinsatzes und kritisieren Polizei, Einsatz und den strukturellen und gesellschaftlichen Rassismus in Deutschland. Die Veranstaltung wird von der Polizei begleitet, die insgesamt eine sehr zurückhaltende und passive Taktik an den Tag legt. Zu Zwischenfällen kommt es während der Demonstration kaum.
Tödlicher Polizeieinsatz in Oldenburg: Der Fall Lorenz A.
Lorenz A. wurde am Ostersonntag in der Achternstraße von drei Kugeln von hinten getroffen: in Rücken, Hüfte und Kopf. Eine weitere Kugel streifte seinen Oberschenkel. Insgesamt fünf Schüsse sind laut aktuellen Ermittlungsergebnissen von dem 27-jährigen Polizisten abgegeben worden. Grund für den Polizeieinsatz war eine Auseinandersetzung zwischen Lorenz A. und weiteren Personen vor einer Diskothek. Dabei soll der Schwarze Oldenburger Reizgas versprüht haben, was er später auch in Richtung Polizei getan haben soll. Ein bei Lorenz A. gefundenes Messer soll bei der Konfrontation mit der Polizei hingegen keine Rolle gespielt haben.
Die Demonstration in Oldenburg, zu der das Bündnis „Gerechtigkeit für Lorenz“ aufgerufen hatte, beginnt mit einer Kundgebung auf dem Pferdemarkt. Hier kommen auch Freunde des Erschossenen zu Wort. Nicht anwesend ist die Mutter des Verstorbenen. „Lorenz‘ Mutter kann nicht da sein. Sie kann den Schmerz, die Wut und die Trauer nicht ertragen“, heißt es auf der Bühne. Dennoch freue sie sich über die Solidarität, die der Familie entgegengebracht werde.
Demonstration in Oldenburg: Joana aus Leer war dabei
Unter den Teilnehmern ist auch Joana aus dem Landkreis Leer. Sie ist 20 Jahre alt, nur wenig jünger als Lorenz A. „Es war mir wichtig, da zu sein“, sagt sie. Wie auch Lorenz A., gehört Joana zur PoC-Community. PoC, das steht für People of Color. Genau wie BIPoC („Black, Indigenous, and People of Color“) eine selbstgewählte Bezeichnung rassistisch diskriminierter Personen. „Sie beschreibt einen gemeinsamen Erfahrungshorizont, den Menschen teilen, die nicht weiß sind. Dieser entsteht zum Beispiel durch nicht zugestandene Privilegien. Mit diesem Ausdruck wird nicht (primär) Hautfarbe beschrieben“, heißt es in einer gängigen Definition.
Joana empfand die Demonstration „einerseits als traurig, andererseits als sehr wütend“, sagt sie am Samstag gegenüber dieser Zeitung. Es sei schön gewesen, „so viele Menschen zu sehen, die an Lorenz erinnern wollen. Und darunter auch viele, die nicht PoC sind.“ Joana ist, wie viele andere Menschen auch, schockiert von den Ereignissen, die sich in der Nacht zu Ostersonntag in Oldenburg abspielten. Sie versteht nicht, warum überhaupt geschossen wurde, erst recht nicht, warum fünf Schüsse abgegeben wurden. „Es gab meiner Meinung nach keinen Grund, Lorenz zu ermorden. Ja, für mich war das Mord.“
Gedenken an Lorenz A.: Kritik an Polizeigewalt und Rassismus
Wer den Erfahrungshorizont von People of Color nicht teilt, für den ist die Vehemenz, mit der von Mord, mit der von (strukturellem) Rassismus in der Gesellschaft, in der Polizei gesprochen wird, wahrscheinlich schwer zu verstehen. „Wir sind alle erschüttert“, sagt Joana. Die Angst, dass man Opfer von Gewalt, auch von Polizeigewalt, wird, sei immer da. „ja, früher, als Kind, da hat man die Polizei noch als Freund und Helfer gesehen“, sagt Joana. „Das gilt auch für viele Polizisten, aber eben nicht für alle“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. „PoC wissen, dass es die schwarzen Schafe unter den Polizisten gibt.“ Die Schüsse auf Lorenz A. hätten diese Angst weiter beflügelt. „Wenn es fast vor der eigenen Haustür passiert, dann ist das nochmal was anderes“, sagt die junge Frau.
So ist es auch zu erklären, dass sowohl auf der Kundgebung als auch auf dem späteren Demo-Zug rund um die Oldenburger Innenstadt immer wieder deutliche Kritik an der Polizei geäußert wird. Darunter auch Beleidigungen und Ausrufe wie ACAB („All Cops are Bastards“), aber vor allem ganz häufig: „Lorenz, das war Mord!“ Der Vorwurf, dass der Schusswaffeneinsatz auch einen rassistischen Hintergrund haben könnte, wird seit Ostern immer wieder hervorgebracht.
Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ fordert unabhängige Ermittlungen nach tödlichen Schüssen

Ob im konkreten Fall, bei den Schüssen auf Lorenz A. Rassismus irgendwie eine Rolle gespielt habe, das „wissen wir nicht. Das müssen die Ermittlungen zeigen“, so Suraj Mailitafi. Im Gespräch mit Pressevertretern lobt er die bisherige Transparenz der Staatsanwaltschaft, die beispielsweise schnell das Obduktionsergebnis bekanntgegeben hat. Kritik übt die Initiative aber daran, dass die Polizei Delmenhorst, die zur gleichen Direktion gehört wie die Oldenburger Polizei, die Ermittlungen aufgenommen hat – und keine unabhängige Stelle oder eine weiter entfernte Polizei. Die Ermittlungen gehen unterdessen weiter – und auch die Initiative verspricht, nicht eher zu ruhen, bis der Fall lückenlos aufgeklärt ist. Klar ist für die Initiative aber auch: „Vier Schüsse von hinten sind nicht zu rechtfertigen, egal, was passiert ist. Vier Schüsse von hinten, sind nicht zu rechtfertigen, auch wenn Pfefferspray im Spiel war.“