Gesundheit
Die Pockenimpfung – eine Erfolgsgeschichte?

Kaum eine Krankheit plagte die Menschheit über so viele Jahrhunderte, wie die Pocken. Die Ausrottung des Virus in den 1960er und 1970er Jahren gilt als größte Erfolgsgeschichte der Weltgesundheitsorganisation.
Rhauderfehn - Kaum eine Seuche hat so viel Schrecken unter den Menschen verbreitet wie die Pocken. Heute gilt die Viruskrankheit als ausgerottet, was die Menschheit einem englischen Arzt zu verdanken hat. Edward Jenner entdeckte Ende des 18. Jahrhunderts, dass Mägde, die zuvor Kontakt zu den für den Menschen wenig gefährlichen Kuhpocken hatten, vor den Pocken bewahrt blieben. Jenner legte die Grundlage zur Entwicklung der Schutzimpfung, mit der die Pocken letztlich ausgerottet werden konnten.
Bevor es dazu kam, sorgte das Virus jedoch über Jahrhunderte hinweg für zahlreiche Todesfälle. Das erste dokumentierte Pocken-Opfer stammt aus dem Altertum: Die Mumie des ägyptischen Pharaos Ramses V., der um 1150 vor Christus regierte, weist charakteristische Krankheitsmerkmale auf. Seinen traurigen Höhepunkt erlebte das qualvolle Leiden im 17. und 18. Jahrhundert. Allein in Europa starben während dieser Zeit 60 Millionen Menschen an und mit dem Pockenvirus.
Übertragung durch Tröpfcheninfektionen

In Deutschland wurde 1874 das Reichsimpfgesetz eingeführt, das Schutzimpfungen zur Pflicht machte. Die Pocken konnten so hierzulande schnell eindämmt werden. In den Ländern der Dritten Welt sah es aber anders aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschloss daher in den 1960er Jahren, die Pocken systematisch auszurotten. Rund 2,5 Millionen Erkrankungen registrierte man damals auf der Welt.
Ausrottung erfolgreich
Mit einem Kostenaufwand von rund 300 Millionen Dollar, dem Einsatz von 600 WHO-Fachleuten und über 150.000 nationalen Helfern in den jeweiligen Ländern hatten die Menschen das Virus Ende der 1970er Jahre dann schließlich besiegt. „Ich bin davon überzeugt, dass die Pocken nun auf der ganzen Welt ausgerottet sind", schrieb der damalige Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Halfdan Mahler, am 26. Oktober 1979 in einem Jubel-Telegramm an die Regierungen aller WHO-Mitgliedsländer.
Dr. Joachim Böhmke aus Rhauderfehn hat die Pockenimpfung noch aus seiner Zeit als Allgemeinmediziner in Erinnerung. Um die Approbation - also die Zulassung als Arzt - zu bekommen, hätten junge Ärzte damals einen öffentlichen Impfdienst leisten müssen, so der 75-Jährige. Dies sei bei ihm 1972 gewesen. „Damals war das Gang und Gäbe - und Vorschrift", erinnert sich der Mediziner. Auch an den Ablauf kann er sich noch gut erinnern: „Da wurde die Haut etwas verletzt und der Impfstoff dann eingerieben." Bei vielen Menschen sei auch heute noch eine kleine Narbe am Oberarm sichtbar.
Restbestände in den USA und in Russland
Mit Spannung beobachtet Böhmke auch die Entwicklung um den neuen Corona-Impfstoff, der vermutlich noch dieses Jahr zugelassen wird. Vergleichbar seien die beiden Impf-Szenarien aber wenig. Allein der organisatorische Aufwand um die künftigen Corona-Impfungen sei wesentlich größer. Während die Pocken-Impfung damals von einem Arzt und einer Arzthelferin durchgeführt werden konnte, wird das Covid-19-Impf-Team aus einem Arzt und vier Arzthelferinnen bestehen. Und auch die Logistik sei wesentlich komplizierter, meint der 75-Jährige. Der Covid-19-Impfstoff müsse extrem gekühlt werden und sei auch nicht so lange haltbar, wie der damalige Pocken-Impfstoff.
Heute gibt es die Pockenviren nur noch im Reagenzglas. Alle bekannten Pockenbestände sind in zwei Hochsicherheitslaboren in den USA und in Russland untergebracht. Die Impfstoff-Forschung könne dank der Virenstämme wichtige Erkenntnisse auch für andere Krankheiten, etwa HIV, gewinnen. Auch aus Angst vor Bio-Terrorismus werden die Pockenstämme weiterhin aufbewahrt. Über eine Vernichtung der Restbestände wird seit vielen Jahren diskutiert.